Zum Todestag von Ayrton Senna: Als Gott die Formel-1 verliess
Genau vor 30 Jahren am 1. Mai verstarb die grosse Rennfahrer-Legende Ayrton Senna. Ich verbrachte den Tag vor dem Fernseher und erinnere mich noch gut daran.
Das Jahr '94: In diesem Jahr verliessen die Alliierten Berlin, Kohl, der gefühlte, «ewige Kanzler» wurde wiedergewählt und der berüchtigte Kaufhauserpresser Dagobert endlich gefasst. Noch wichtiger, jedenfalls für mich: Der junge Kerpener Michael Schumacher gewann seine erste Formel-1-WM.
Ich selbst hatte meine «eigene „Ehrenrunde» ein Jahr zuvor gedreht und fand mich nun in einem katholischen Internat wieder: mitten im baden-württembergischen Schwarzwald, in der Vorbereitung auf den Maturaabschluss.
Das «schwarze Wochenende» von Imola
Und was tut man also an einem Feiertag, mit seinen Mitschülern? Sie ahnen es: Fernsehen schauen. Vor allem drei Sendungen hatten damals mich geprägt: «Beverly Hills 90210», «Raumschiff Enterprise – das nächste Jahrhundert» und die Übertragungen der «Formel-1».
Senna, die grosse Rennfahrer-Legende, war uns natürlich allen ein Begriff, auch wenn wir lieber Schumacher gewinnen sehen wollten. Das Rennen in Imola selbst aber stand unter keinem guten Stern.
Einen Tag zuvor im Qualifying starb Rennfahrerkollege Roland Ratzenberger: Die Schutzengel verliessen den Österreicher, als sein Frontflügel brach und ihn bei über Tempo 300 in die Betonmauer knallen liess. Für Senna eine grosse Tragödie.
Sorgen um die Sicherheit berechtigt
Die bösen Vorahnungen sollten sich bestätigen: Senna verunglückt mit seinem Williams in der berüchtigten Tamburello-Kurve. Forderungen der Fahrer, die für Hochgeschwindigkeiten ausgelegte Kurve zu entschärfen, wurden bis dahin beharrlich aus dem Wind geschlagen.
Durch den Aufprall dringen Teile der Radaufhängung durch das Helmvisier und verletzen Sennas Kopf schwer – wichtige Hirnblutgefässe werden durchtrennt. Als der Rettungshubschrauber das Gelände Richtung Maggiore-Krankenhaus in Bologna verlässt, ist Senna bereits hirntot.
So sehr wir geschockt waren über den Unfall, so sehr blieb das Gefühl für die Gefahr dieses hochgezüchteten Sports am TV-Bildschirm doch abstrakt. Schumacher gewinnt schliesslich das fortgeführte Rennen. Später wird er sagen, ohne den Unfall hätte Senna den WM-Titel geholt: «Er war der beste Fahrer von uns allen».
Glaube und Ehrgeiz – der Mensch Senna
Etwas was mich bis heute tief beeindruckt, sogar mehr noch als sein Talent als Rennfahrer, ist Sennas Menschlichkeit. Wegbegleiter berichteten immer wieder von seinem grossen Einfühlungsvermögen und Anteilnahme.
Als Landsmann Barichello im Freien Training sich schon beim ersten Unfall in Imola das Nasenbein brach, war Senna sofort zur Stelle.
Als er vom Tod Ratzenbergers erfuhr, weinte er. Der Brasilianer sorgte sich selbst um die Sicherheit dieses Sports, wies immer wieder auf Missstände hin.
So gross sein Ehrgeiz war, so gross war sein Herz: Tief vom Glauben geprägt, fühlte er sich nicht nur verantwortlich für seinen Sieg, sondern auch für Andere.
Heute ist die Formel-1 sicherer als je zuvor
Warum müssen Helden eigentlich (meistens) sterben? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht, aber eines steht fest: Tragische Ereignisse können, trotz allem, positiv-heilende Veränderungen bewirken.
Als Konsequenz trieb der Automobil-Weltverband FIA das Thema Sicherheit energisch voran. Ohne Imola, so der 2021 verstorbene Ex-FIA-Präsident Max Mosley, hätte es diese Fortschritte in der Formel-1 nicht gegeben.
Sennas Grab auf dem Morumbi-Friedhof in São Paulo ist längst zu einer Pilgerstätte geworden. Darauf findet der Besucher die Inschrift: «Nichts kann mich von der Liebe Gottes trennen». Und erhält die Gewissheit, dass Mitgefühl und Menschlichkeit auch über den Tod lebendig bleiben können.