Bonus-Malus-System: Anreizsystem mit Tücken

Maia Schmied
Maia Schmied

Kleine Bagatellschäden werden oft aus Angst vor einer Rückstufung selbst bezahlt, was den Sinn einer Versicherung in Frage stellt.

Unfall PKW
Nach einem Unfall von der Versicherung zurückgestuft werden: Das befürchten viele Autofahrer. - D.Huber

Das Wichtigste in Kürze

  • Kritikpunkte:

Das Bonus-Malus-System ist ein Mechanismus, der Versicherungsprämien anpasst. Es belohnt sicheres Fahrverhalten durch Prämienreduktionen und bestraft risikoreiches Verhalten mit Prämienerhöhungen.

Trotz dieser Zielsetzung weist das aktuelle System in der Schweiz mehrere Kritikpunkte und Schwachstellen auf. Das Bonus-Malus-System, auch Prämienstufen- oder Bonusstufensystem genannt, passt die Versicherungsprämien für Fahrzeughalter an ihre Schadenhistorie an.

Wer keine Schäden verursacht, profitiert von sinkenden Prämien. Verursacht jemand Schäden, muss er mit steigenden Prämien rechnen.

Berechnung

Die Berechnung der Versicherungsprämie erfolgt in der Regel durch Multiplikation einer Grundprämie (abhängig von Fahrzeugtyp und Nutzung) mit einem Faktor, der die Bonus-Malus-Stufe des Fahrers widerspiegelt. Nach einem Schaden steigt die Bonus-Malus-Stufe des Fahrers meist deutlich, was die Versicherungsprämie erhöht.

Unfall Rückspiegel
Nach einem Unfall bleiben viele Fragen, auch bezüglich der Versicherung. - Pixabay

Umgekehrt senkt jedes unfallfreie Jahr die Bonus-Malus-Stufe und somit die Prämie, bis die niedrigste Stufe erreicht ist. Die genaue Anzahl der Stufen und die Auswirkungen von Schäden und unfallfreien Jahren auf die Prämienstufe können je nach Versicherungsgesellschaft variieren.

Die Kernidee des Systems ist, einen Anreiz für sicheres Fahren zu schaffen, indem es die finanziellen Folgen von Unfällen direkt mit der Fahrhistorie der Versicherten verknüpft.

Bonus- und Malusstufen im Detail

Das Bonus-Malus-System in der Schweiz umfasst typischerweise eine Reihe von Prämienstufen oder Bonusstufen, die von hohen Malusstufen bis zu niedrigen Bonusstufen reichen. Die Prämienhöhe variiert erheblich, je nach Stufe.

Fahranfänger oder Fahrer mit negativer Schadenhistorie zahlen in der Regel höhere Prämien, die 100 % der Grundprämie oder sogar mehr erreichen können. Fahrer mit langjähriger unfallfreier Fahrweise erreichen die niedrigste Bonusstufe und zahlen oft nur 30 % bis 45 % der Grundprämie.

Die höchste Malusstufe kann Prämien von 200 % oder mehr der Grundprämie zur Folge haben. Diese erhebliche Spanne verdeutlicht die finanziellen Anreize für Fahrer, Unfälle zu vermeiden.

Auf- und Abstufung nach Schadenfällen

Nach einem Schadenfall benötigen Fahrer in der Regel mehrere Jahre unfallfreien Fahrens, um wieder eine niedrigere Bonusstufe zu erreichen. Ein typischer Schadenfall kann die Prämienstufe um vier oder fünf Stufen erhöhen, während jedes unfallfreie Jahr meist nur zu einer Reduzierung um eine Stufe führt.

Park-Kratzer
Oft Realität: Um eine mögliche Hochstufung in der Kfz-Versicherung zu vermeiden, entschied sich der Fahrer, den kleinen Parkschaden nicht der Versicherung zu melden... - Daniel H

Viele Versicherungsgesellschaften bieten einen sogenannten Bonusschutz an, um sich vor einer Rückstufung nach einem Schadenfall zu schützen. Gegen eine zusätzliche Gebühr verhindert dieser, dass sich die Bonusstufe nach einem selbstverschuldeten Unfall erhöht, in der Regel maximal einmal pro Jahr.

Dieses Angebot zeigt, dass Versicherer die potenziellen Härten der Standard-Malus-Erhöhung nach einem einzelnen Vorfall anerkennen, besonders für ansonsten gute Fahrer.

Übertragbarkeit und Beobachtungszeitraum

Die erreichte Prämienstufe ist beim Wechsel der Versicherungsgesellschaft in der Regel nicht übertragbar. Jede Gesellschaft berechnet die Stufe bei einem Neuabschluss grösstenteils neu, berücksichtigt aber die Schadenhistorie des Fahrers.

Der Beobachtungszeitraum zur Beurteilung der Schadenhistorie läuft bei vielen Versicherern vom 1. September bis zum 31. August des Folgejahres. Schäden, die innerhalb dieses Zeitraums gemeldet werden, beeinflussen die Prämie des darauffolgenden Versicherungsjahres.

Die fehlende Übertragbarkeit der Bonus-Malus-Stufe kann Fahrer davon abhalten, den Versicherer zu wechseln, selbst bei besseren Angeboten, da sie den angesammelten Bonus verlieren könnten.

Kritikpunkte: Bestrafung geringfügiger Versehen

Ein einziger, möglicherweise kleiner Unfall kann zu einer erheblichen Prämienerhöhung über Jahre führen, selbst bei Fahrern mit langer unfallfreier Historie. Dies wirkt unverhältnismässig, besonders für Wenigfahrer oder vorsichtige Fahrer, bei denen es sich um einen Einzelfall handelte.

Europäisches Unfall-Protokoll
Mehrsprachig und hilfreich: Das Europäische Unfall-Protokoll ist in allen europäischen Sprachen verfügbar. - ADAC

Die drastische Prämienerhöhung nach einem Schadenfall, unabhängig von seiner Schwere, kann die über Jahre angesammelten Rabatte aufheben.

Kritikpunkte: Mangelnde Unterscheidung

Das System unterscheidet oft nicht ausreichend zwischen der Schwere von Unfällen. Ein kleiner Parkschaden kann die gleiche Auswirkung auf die Bonusstufe haben wie eine schwere Kollision.

Diese mangelnde Differenzierung kann Fahrer zögern lassen, kleinere Schäden zu melden, aus Angst vor einer unverhältnismässigen Prämienerhöhung. Dies könnte zu einer Untererfassung von Unfällen führen und die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, wenn beschädigte Fahrzeuge nicht ordnungsgemäss repariert werden.

Kritikpunkte: Auswirkungen auf spezifische Fahrergruppen

Fahranfänger: Neue Fahrer starten in der Regel auf einer höheren Prämienstufe, da ihnen eine Schadenhistorie fehlt. Dies führt zu höheren Anfangsprämien, unabhängig von ihrer tatsächlichen Fahrfähigkeit und kann eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen.

Wenigfahrer: Das traditionelle Bonus-Malus-System belohnt Wenigfahrer möglicherweise nicht ausreichend, obwohl diese aufgrund ihrer geringeren Fahrleistung einem geringeren Risiko ausgesetzt sind. Sie zahlen möglicherweise ähnliche Prämien wie Vielfahrer, obwohl ihre Unfallwahrscheinlichkeit geringer ist.

Website compares.ch
Auf der Versicherungsvergleichsseite comparis.ch können Konsumenten einfach und schnell verschiedene Versicherungsangebote vergleichen. - Comparis.ch (Screenshot)

Ältere Fahrer: Das System benachteiligt ältere Fahrer mit aufgebauter Fahrhistorie nicht spezifisch. Sichere ältere Fahrer mit angesammelten Boni profitieren wahrscheinlich. Die Hauptschwierigkeiten für diese Gruppe könnten eher bei den Anforderungen an die Fahrberechtigung liegen als beim Bonus-Malus-System.

Kritikpunkte: Anreiz, Schäden nicht zu melden

Fahrer entscheiden sich möglicherweise, kleinere Schäden selbst zu bezahlen, um eine Prämienerhöhung zu vermeiden, selbst mit Vollkaskoversicherung. Kurzfristig mag dies für den Versicherer vorteilhaft sein, langfristig könnte es zu grösseren, kostspieligeren Schäden führen, wenn kleinere Schäden unbehandelt bleiben.

Mangelnde Transparenz und Komplexität: Die spezifischen Regeln und Stufen des Bonus-Malus-Systems variieren stark zwischen den Versicherern, was es Verbrauchern erschwert, Policen effektiv zu vergleichen. Diese Komplexität reduziert die Markttransparenz und behindert informierte Entscheidungen.

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