Aus der Tiefe: Die unglaubliche Reise des Bugatti am Lago Maggiore
52 Meter unter Wasser ruhte ein Schatz der Automobilgeschichte. Seine Bergung schrieb Geschichte und rettet heute Leben.

Wasser gilt als der natürliche Feind jeder feinen Mechanik. Korrosion frisst sich normalerweise gnadenlos durch Zylinderköpfe und empfindliche Legierungen.
Dennoch übt ein versunkenes Wrack eine fast mystische Faszination auf uns aus. Im Tessin trotzte ein Bugatti Type 22 «Brescia» als Wrack über sieben Jahrzehnte lang der Physik.
Seine Geschichte verbindet technische Robustheit mit menschlicher Tragik auf einzigartige Weise.
Vom Zollstreit zum nassen Grab
Der Zürcher Architekt Marco Schmucklerski brachte den offenen Zweisitzer im Jahr 1936 ins Tessin. Er fuhr den sportlichen Wagen jedoch weiterhin mit alten französischen Kennzeichen.
Die Schweizer Zollbehörden bemerkten das Versäumnis bald und forderten immense Summen nach. Diese Gebühren überstiegen den damaligen Zeitwert des gebrauchten Autos massiv.

Anstatt zu zahlen, wurde der dramatische «Tessiner Weg» gewählt. Man versenkte den Bugatti an einer schweren Eisenkette im Lago Maggiore.
Als diese Kette schliesslich durchrostete, stürzte das Fahrzeug endgültig ab. Es landete in 52 Metern Tiefe und geriet in Vergessenheit.
Die Konservierung im Schlamm
Die technische Analyse des später geborgenen Wracks lieferte erstaunliche Erkenntnisse für Experten. Etwa 20 Prozent der originalen Substanz haben die lange Zeit überdauert.
Besonders die im Schlamm vergrabene linke Seite zeigte noch viele Details. Dort fanden sich sogar noch Reste der ursprünglichen blauen Lackierung.

Das Wasser der rechten Seite hatte das Metall hingegen stark zerfressen. Der Vierzylindermotor mit 1.5 Litern Hubraum war ebenfalls stark korrodiert.
Eine Wiederinbetriebnahme des Antriebsstrangs ist daher technisch vollkommen ausgeschlossen. Dennoch besitzt das Chassis eine unheimliche, skulpturale Schönheit.
Eine Bergung für die gute Sache
Sporttaucher besuchten den «Geist des Sees» seit seiner Entdeckung 1967 regelmässig. Doch erst der gewaltsame Tod von Damiano Tamagni änderte alles.
Zur Finanzierung einer Stiftung gegen Jugendgewalt bargen seine Freunde den Wagen. Sie nutzten dafür spezielle Hebesäcke und viel logistisches Geschick.

Nach 73 Jahren durchbrach das legendäre Blau am 12. Juli 2009 die Wasseroberfläche. Tausende Schaulustige verfolgten das Spektakel am Ufer von Ascona.
Das Auto tropfte noch, als die Experten es erstmals begutachteten. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt den wahren Wert des Schrotts.
Das Auktions-Wunder von Paris
Viele Experten erwarteten für den verrosteten Haufen Metall nur geringe Gebote. Das Auktionshaus Bonhams präsentierte den Fund dennoch prominent in Paris.
Ein spannendes Bietergefecht trieb den Preis auf unglaubliche 260'500 Euro, umgerechnet damals weit über 350'000 Schweizer Franken. Der gesamte Erlös ermöglichte der «Damiano Tamagni Stiftung» wichtige Arbeit.
Der Käufer Peter Mullin sicherte sich das Stück für seine Sammlung. Er stellt das Auto heute unrestauriert in Kalifornien aus, als Mahnmal der Vergänglichkeit.














