LeMans und der Tag, an dem der Schweizer Motorsport starb

Daniel Huber
Daniel Huber

Ein Moment, der den Schweizer Motorsport für fast sieben Jahrzehnte veränderte. Was als technische Innovation begann, endete in einer nationalen Zäsur.

Le Mans Memorial
Der schwärzeste Tag: Am 11. Juni 1955 forderte der schwerste Unfall der Motorsportgeschichte insgesamt 84 Todesopfer. - Stevingtonian

Wer heute einen modernen Sportwagen startet, spürt die Perfektion jahrzehntelanger Ingenieurskunst. Die Faszination für Leichtbau und enorme Kraft ist ungebrochen.

Doch das Streben nach technologischen Grenzwerten forderte 1955 einen unvorstellbaren Tribut. Im Zentrum dieser historischen Tragödie stand der Mercedes-Benz 300 SLR mit seiner innovativen, aber verhängnisvollen Karosserie aus Magnesium.

Le Mans Unfall 1955
Tödliche Trümmer: Die Wrackteile von Pierre Leveghs Mercedes-Benz 300 SLR wirkten wie Geschosse in der dicht gedrängten Zuschauermenge. - Jimmy Prickett

Der tragische Unfall in Le Mans brachte Rundstreckenrennen in der Schweiz für 67 Jahre komplett zum Erliegen.

Brennendes Magnesium und die Katastrophe von Le Mans

Im Jahre 1955 definierte der Mercedes-Benz 300 SLR definierte die Spitze des Automobilbaus neu. Für das Chassis nutzten die Ingenieure die extrem leichte, jedoch hochentzündliche Magnesium-Legierung «Elektron».

Mercedes Benz 300 SLR
Die innovative Luftbremse: Um die damals unterlegenen Trommelbremsen zu schonen, besass der Wagen eine hydraulisch aufstellbare Heckklappe, die bei 290 km/h wie ein Fallschirm wirkte. - LSDSL

Während des 24-Stunden-Rennens in Le Mans kam es in der 35. Runde zur Katastrophe: Nach einer unglücklichen Berührung raste der Wagen von Pierre Levegh wie ein brennendes Geschoss in die Zuschauertribüne.

Die glühenden Wrackteile und der schwere Motorblock töteten über 80 Menschen innerhalb weniger Sekunden. Da brennendes Magnesium bei Kontakt mit Wasser noch heftiger reagiert, blieben die herkömmlichen Löschversuche der Feuerwehr wirkungslos – das Wrack brannte stundenlang mit gleissender Hitze aus.

Die radikale Antwort der Schweizer Behörden

Die Schweizer Behörden beobachteten das Entsetzen in Frankreich mit grosser Sorge um die öffentliche Sicherheit. In einer beispiellosen Reaktion erliess der Bundesrat noch im selben Jahr ein striktes Verbot für Rundstreckenrennen.

Der traditionsreiche Grosse Preis der Schweiz auf der Berner Bremgarten-Rundstrecke wurde dauerhaft gestrichen. Während Nationen wie Deutschland oder Italien ihre Rennstrecken modernisierten und die Sicherheitsstandards erhöhten, liess die Schweiz ihre Pisten verfallen.

Diese Massnahme prägte die Schweizer Sportlandschaft und das Verhältnis zum Automobil über Generationen hinweg. Motorsport galt fortan als unkontrollierbare Gefahr, die man der Bevölkerung nicht mehr zumuten wollte.

Das Ende einer Ära und die lautlose Rückkehr

Schweizer Renntalente wie Clay Regazzoni oder Jo Siffert wurden durch dieses Verbot zwangsweise zu Nomaden. Ohne nationale Wettbewerbe fehlte dem Nachwuchs jahrzehntelang die Bühne vor heimischem Publikum.

Das strikte Gesetz geriet erst durch den Einzug der nachhaltigen Formel E ins Wanken. Die lautlosen Elektroantriebe dienten als politischer Türöffner für eine moderne Neubeurteilung der Sicherheitsaspekte.

Zürich ePrix
Das historische Comeback: Der Zürich ePrix am 10. Juni 2018 war das erste offizielle Rundstreckenrennen in der Schweiz seit dem Verbot von 1955. - Albinfo

Schliesslich beendete das Parlament dieses historische Verbot im Jahr 2022 offiziell. Damit schloss sich ein langes Kapitel, das mit einer Feuerbrunst in Frankreich begann und erst im Zeitalter der Elektromobilität sein Ende fand. Der Mercedes 300 SLR bleibt untrennbar mit diesem dunklen Schicksalsschlag verbunden.

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