Audi Q4 e-tron - elektrischer Gipfelsturm nach Alp d'Huez
Ein sportlicher Gipfelstürmer mit Allrounder-Qualitäten, der Fahrspass und Alltagstauglichkeit vereint. Doch auch dieser elektrische Held hat seine Schwächen.
«Mesdames et Messieurs, liebe Radsportfreunde!« So würde wohl die französische TV-Legende Thierry Adam diesen Fahrbericht beginnen. Seine Stimme überschlägt sich fast vor Begeisterung für das nächste grosse Drama auf zwei Rädern.
Aber keine Sorge, ich bin kein hyperventilierender Kommentator, sondern schlichtweg begeistert. Begeistert vom Audi Q4 e-tron und unserer heutigen Teststrecke: Briançon nach Alp d'Huez.
Der Q4 e-tron: Ein Cockpit, das sich sehen lassen kann
Eine legendäre Etappe der Tour de France, gespickt mit Serpentinen, Schweiss und heroischen Geschichten, die sich in die Annalen des Radsports eingebrannt haben. Ich mache es mir im Cockpit des Q4 55 e-tron quattro bequem, dem Topmodell mit 250 kW (339 PS).
Es ist wie Thierry Adams Kommentatorenkabine, nur mit mehr Beinfreiheit und einem Kofferraum, der selbst das Gepäck eines ganzen Pelotons schlucken könnte. Das Volumen beträgt bis zu 1.490 Liter bei umgeklappten Rücksitzen, um genau zu sein.
Perfekt für den Grosseinkauf nach dem Etappensieg, oder den Familienausflug in die Berge.
Fahrerlebnis digital aufgepeppt
Die Sportsitze mit integrierten Kopfstützen umschliessen mich wie ein massgeschneiderter Colnago-Rahmen. Das digitale Cockpit liefert alle relevanten Daten – Geschwindigkeit, Reichweite, Ladezustand – ganz ohne Doping, versteht sich.
Dazu kommt ein Head-up-Display, das mir die wichtigsten Informationen direkt ins Blickfeld projiziert. Beinahe so wie die Wasserflaschen, die den Fahrern bei der Tour zugeworfen werden.
Ab auf die Strassen
Der Q4 e-tron ist ein rein elektrischer Sportler, bereit für den Gipfelsturm. Einst gewann Marco Pantani, der «Pirat», diese Etappe 1997 in einem atemberaubenden Solo.
Die ersten Kilometer rollen wir gemütlich durch Briançon, vorbei an historischen Festungsmauern, die stumme Zeugen der bewegten Geschichte dieser Region sind. Der Q4 e-tron gleitet geschmeidig über das Kopfsteinpflaster.
Das adaptive Fahrwerk bügelt jede Unebenheit glatt, als ob wir auf einem frisch asphaltierten Velodrom unterwegs wären.
Spass in den Kurven und meditative Ruhe
Die präzise Lenkung und das gut ausbalancierte Fahrwerk machen jede Fahrt zu einem Erlebnis. Egal, ob auf Kopfsteinpflaster oder auf der Autobahn.
Im Innenraum herrscht dabei eine fast schon meditative Ruhe, nur das leise Surren des Elektromotors ist zu hören. So bringt das Fahrgefühl einen angenehmen Kontrast zum ohrenbetäubenden Anfeuern der Fans am Strassenrand, wenn die Tour hier vorbeirauscht.
Die hochwertigen Materialien und die sorgfältige Verarbeitung im Innenraum vermitteln ein Gefühl von Luxus und Understatement, ganz im Sinne der Audi-Tradition.
Die Serpentinen testen den Q4 e-tron auf Herz und Nieren
Dann geht es los: Die Strasse schraubt sich in engen Serpentinen den Berg hinauf, 21 Kehren, jede einzelne eine Herausforderung für Mensch und Maschine. Hier wurde Radsportgeschichte geschrieben.
Ullrich und Armstrong duellierten sich hier in epischen Kämpfen, hier triumphierten Pantani und Coppi, hier litten und jubelten Generationen von Radprofis. Die ersten Kehren sind eng und steil, fast schon gemein, wie geschaffen für Attacken und Überraschungsangriffe.
Der Q4 e-tron meistert sie mit Bravour, die präzise Lenkung und der niedrige Schwerpunkt machen ihn zum perfekten Kurvenkünstler.
Intelligentes Fahrwerk macht sich bezahlt
Das Sportfahrwerk mit dynamischer Feder-Dämpferabstimmung sorgt für direkten Fahrbahnkontakt, während der quattro-Antrieb für optimale Traktion sorgt. Und das selbst auf den rutschigen Passagen, wo selbst die erfahrensten Fahrer ins Schlingern geraten können.
Je höher wir kommen, desto weiter öffnet sich die Landschaft, die Serpentinen werden länger, die Steigung nimmt ab. Auch hier spielten sich legendäre Duelle ab: Hinault gegen LeMond, Roche gegen Delgado, Indurain gegen Rominger.
Der Q4 e-tron zieht unbeirrt seine Bahn, die Beschleunigung ist beeindruckend, in nur 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Bremsen packen kraftvoll zu, selbst bei hohen Geschwindigkeiten. Wir schalten in den Dynamic-Modus, um die volle Leistung des Elektromotors zu entfesseln, und der Q4 e-tron schiesst nach vorne wie ein Sprinter im Finale.
Eins mit der Landschaft
Das Panorama-Glasdach öffnet den Blick auf die majestätischen Gipfel, die uns umgeben. Währenddessen sorgt das Bang & Olufsen Soundsystem mit 3D-Klang für die passende musikalische Untermalung – vielleicht ein bisschen «Eye of the Tiger» zur Motivation?
Die letzten Kilometer sind die härtesten, die Steigung nimmt wieder zu, die Luft wird dünner. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, hier zeigt sich, wer das Zeug zum Sieger hat.
Der Q4 e-tron scheint davon unbeeindruckt, die 82 kWh-Batterie liefert ausreichend Energie für den Gipfelsturm, bis zu 517 km Reichweite nach WLTP-Standard. Im Innenraum bleibt es angenehm kühl, die Klimaautomatik arbeitet perfekt, Luxus im Vergleich zu den schweissgetränkten Trikots der Tour-Helden, die sich literweise Wasser über den Kopf schütten.
Am Ende des Tages – unterm Strich
Zugegeben, der Q4 55 e-tron quattro ist kein Schnäppchen, und die Aufpreisliste für Extras liest sich wie die Speisekarte eines Sternerestaurants. Aber seien wir ehrlich: Wer bei einem E-SUV dieser Klasse auf Schnäppchenjagd ist, hat vermutlich die falsche Zielgruppe im Visier.
Auch die Reichweite könnte für ausgedehnte Alpenüberquerungen etwas knapp bemessen sein, vor allem, wenn man den sportlichen Charakter des Wagens öfter mal ausreizt. Und ja, die Sprachsteuerung könnte durchaus noch ein paar Nachhilfestunden vertragen.
Aber immerhin versteht sie «Alp d'Huez» auf Anhieb – und das ist ja schon mal die halbe Miete. Für Insassen über 1,90 Meter könnte es auf der Rückbank etwas kuschelig werden, und der fehlende Frunk (vordere Kofferraum) ist ein kleiner Wermutstropfen für alle, die gerne jeden Zentimeter Stauraum ausnutzen.
Dennoch: Wer Qualität und Performance sucht, aber keine Basketballmannschaft transportieren muss, findet im Q4 55 e-tron quattro einen zuverlässigen Partner für alle Strecken.
Direkte Konkurrenten
Der Audi Q4 e-tron hat in seiner Klasse einige starke Konkurrenten, die ebenfalls um die Gunst der Käufer buhlen:
BMW iX1: Der bayerische Rivale bietet ähnliche Abmessungen, ein sportliches Fahrverhalten und eine hochwertige Innenausstattung.
Mercedes-Benz EQB: Der EQB punktet mit viel Platz für bis zu sieben Personen und einer soliden Reichweite.
Tesla Model Y: Das Model Y überzeugt mit hoher Reichweite, schneller Beschleunigung und dem Zugang zum Tesla Supercharger-Netzwerk.
VW ID.4: Der ID.4 ist der Konzernbruder des Q4 e-tron und bietet ein ähnliches Gesamtpaket zu einem etwas günstigeren Preis.
Skoda Enyaq iV: Ein weiterer Verwandter aus dem VW-Konzern, der mit viel Platz, guter Ausstattung und einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis punktet.
