Flaggen-Fiasko: der Fiat Topolino im Visier der italienischen Justiz

Axel Linther
Axel Linther

Am 12.06.2024 - 16:00

Das italienische Turin ist für seine Traditionsmarke Fiat bekannt. Doch im Zeitalter der Globalisierung scheint diese Formel nicht mehr so einfach aufzugehen…

2024 Fiat Topolino
Auch wenn er so typisch italienisch durch die Strassen zu flitzen vermag, für Italiens Behörden ist er wohl eher eine Art "Kuckucksei": der Fiat Topolino. - Stellantis

Die Auseinandersetzung, um die es geht, entbrannte über eine kleine italienische Flagge auf dem Fiat Topolino. Das Detail sollte den Stolz des Landes auf seine Automobilgeschichte symbolisieren.

Stattdessen wurde die Flagge dem Fahrzeug zum Verhängnis, da es nicht auf heimischem Boden produziert wird.

Kleines Symbol, grosses Drama

In Livorno wurden 134 Exemplare des charmanten Stadtflitzers beschlagnahmt. Die Ursache? Ein Gesetz aus dem Jahr 2003 verbietet es strikt, Produkte als «Made in Italy» zu kennzeichnen oder zu bewerben, wenn sie nicht vollständig im Land hergestellt wurden.

So fiel der Topolino trotz seiner Entwicklung in Turin durchs Raster. Die Polizeiaktion gegen die kleinen Elektroautos basierte auf ihrer Produktion in Marokko – genauer gesagt im Werk Kenitra.

Dort laufen auch dessen Geschwistermodelle von Citroën und Opel vom Band. Eine winzige Tricolore am Türgriff war Auslöser für einen nationalen Disput über Authentizität und Herkunft.

Grenzenlose Produktionsketten treffen nationalen Stolz

Stellantis, der Mutterkonzern hinter Fiat sowie weiterer renommierter Marken wie Citroën und Opel, sah sich gezwungen, einzuschreiten. Das Unternehmen kündigte angesichts der Beschlagnahmung an, die beanstandete Flagge von allen betreffenden Fahrzeugmodellen entfernen zu lassen.

2024 Fiat Topolino
Mit Italien ist nicht zu spassen: Nach Alfa Romeo muss nun auch Fiat eines seiner Modelle modifizieren, den Topolino. - Stellantis

So soll der reibungslose Verkaufsfluss dieser Modelle wiederhergestellt werden. Eine Sprecherin des Konzerns versicherte dabei öffentlich:

«Wir haben stets nach Vorschrift gehandelt». Ihr zufolge sei nie beabsichtigt gewesen, Kunden irrezuführen; nichtsdestotrotz erfordere die Situation nun eine Anpassung an die rechtlichen Gegebenheiten Italiens.

Von Alfa bis Topolino: Ein wiederkehrendes Dilemma

Dies ist bei Weitem kein Einzelfall innerhalb des Stellantis-Konzerns oder gar der globalisierten Autoindustrie. Ähnliche Namens- und Herkunftsdebatten gab es bereits vor kurzem – etwa beim Versuch, Alfa Romeos neues Einstiegsmodell «Milano» zu nennen.

2024 Fiat Topolino, italienische Tricolore
Italiens "Il tricolore": Alle italienischen Flaggen auf den Topolinos müssen weichen. - Stellantis

Diese Bezeichnung musste fallengelassen werden wegen desselben Problems international verteilter Produktionsstätten. Situationsbedingte Umbenennungen oder Modifikationen werfen tiefgehende Fragen bezüglich des Nationalstolzes und den Globalisierungseffekten innerhalb traditioneller Industrien wie dem Automobilbau auf.

Das gilt insbesondere für Länder, in denen die Automobilindustrie so traditions- und geschichtsträchtig ist wie eben in Italien.

Zwischen Traditionspflege und Marktrealitäten

Fiat sieht sich also vor folgenden Spagat gestellt. Die Marke muss ihren neuesten Spross marktkonform anpassen, ohne dabei den eigenen Ansprüchen an Qualität und Authentizität untreu zu werden.

Die Entfernung einer vermeintlich trivial erscheinenden Fahne unterstreicht einmal mehr das Spannungsfeld zwischen lokaler Identitätspflege und global vernetzter Produktionslandschaft. Mit anderen Worten: ein wahrer Drahtseilakt.

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