Wenn der Pass ruft: Bremsen, die nicht ermüden

Maia Schmied
Maia Schmied

Wer später bremst, fährt länger schnell! Carbon-Keramik-Bremsscheiben verschieben die Grenzen der Physik und bieten Performance für höchste Ansprüche.

BMW M Carbon-Keramik-Bremse
BMW M Carbon-Keramik-Bremse mit Hitzeschild: Die Bremsleistung bleibt selbst bei extremen Temperaturen von über 1'000 Grad Celsius konstant und zuverlässig. - BMW

Stellen Sie sich eine zügige Fahrt über den Julierpass an einem heissen Sommertag vor. Kehre um Kehre fordert Ihr Fuss präzise Verzögerung, doch herkömmliche Bremsen werden hier schnell weich.

Der beissende Geruch heisser Beläge warnt oft zu spät vor dem drohenden Wirkungsverlust der Anlage. Mit Carbon-Keramik-Komponenten an den Achsen bleibt dieses Szenario ein Relikt der Vergangenheit.

Diese Hochleistungssysteme bieten selbst unter thermischer Maximallast einen absolut konstanten Druckpunkt. Sie verwandeln kinetische Energie zuverlässig in Wärme, ohne dabei jemals zu ermüden.

Ein chemisches Geduldsspiel: Die C/SiC-Matrix

Die Fertigung dieser Scheiben gleicht eher einem Laborprozess als klassischer Metallverarbeitung. Ingenieure pressen zunächst Kohlenstofffasern und spezielles Harz in eine passgenaue Form.

Ferrari SF90 Stradale
Der SF90 steht an der Spitze der Leistungshierarchie. Ferrari verwendet bei fast allen seinen modernen Sportwagen Carbon-Keramik-Bremsen. - Ferrari

Dieser Rohling durchläuft eine Pyrolyse, bei der sich der Kunststoff unter Hitze in Kohlenstoff wandelt. Anschliessend folgt die Infiltration mit flüssigem Silizium bei rund 1'700 Grad Celsius im Vakuumofen.

Dabei entsteht die extrem harte Siliziumkarbid-Matrix, welche die Scheibe so widerstandsfähig macht. Der gesamte Veredelungsprozess nimmt oft rund drei Wochen in Anspruch.

Hitzeschild gegen das Fading

Stahlbremsen kämpfen am Berg oft mit dem gefürchteten Fading-Effekt. Dabei gast der Bremsbelag durch Hitze aus und bildet ein gefährliches Gaspolster auf der Scheibe.

Der Fahrer spürt dies durch ein «weiches» Pedal und abrupt fehlende Bremskraft. Keramikscheiben hingegen arbeiten auch bei Temperaturen jenseits von 1'000 Grad Celsius absolut stabil.

Audi R8 V10 Performance
Audi R8: Bei Audis Supersportwagen-Flaggschiff sind die Keramikbremsen oft optional oder in den Top-Varianten serienmässig. - Audi

Das Material leitet die entstehende Hitze effizienter ab und verhindert das Verglasen der Beläge. So bleibt die Verzögerung von der ersten bis zur letzten Kurve identisch.

Weniger Gewicht, mehr Agilität

Ein oft unterschätzter Vorteil liegt in der massiven Gewichtsreduktion der rotierenden Massen. Keramikscheiben wiegen gut 50 Prozent weniger als vergleichbare Modelle aus Grauguss.

Dies verringert die sogenannten ungefederten Massen am Fahrzeug drastisch und spürbar. Das Rad kann Fahrbahnunebenheiten dadurch viel schneller und präziser folgen.

Der Kontakt zur Strasse verbessert sich sofort, was Sicherheit und Komfort erhöht. Zudem lenkt das Auto viel williger und direkter in enge Kurven ein.

Eine Anschaffung für die Ewigkeit?

Im normalen Strassenverkehr halten diese Scheiben oft ein ganzes Autoleben lang. Die extreme Härte der Oberfläche macht sie fast immun gegen normalen Abrieb durch Bremsstaub.

Kritisch wird es erst bei permanentem Rennstreckeneinsatz unter absoluter Höchstlast. Dort können die Kohlenstofffasern im Inneren mit der Zeit oxidieren und verschliessen.

Für den ambitionierten Passfahrer überwiegen jedoch die Vorteile der Langlebigkeit deutlich. Der hohe Anschaffungspreis relativiert sich schnell durch die extrem langen Wechselintervalle.

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