Design: Die Ästhetik der Aggression

Maia Schmied
Maia Schmied

Warum sehen moderne Autos aggressiver aus als früher? Was steckt hinter dem «bösen Blick» und warum wir uns von «freundlichen» Autos verabschiedet haben.

2022 BMW 7er
Der neue BMW 7er beeindruckt nicht optisch, auch dank markanter Linienführung. - BMW

Moderne Autos wirken oft «brutaler» oder aggressiver als ihre Vorgänger. Dieser Wandel ist das Ergebnis einer Kombination aus Designphilosophie, technischen Anforderungen und psychologischen Aspekten.

Ein Hauptgrund für das aggressivere Erscheinungsbild heutiger Fahrzeuge liegt in einer bewussten Designentscheidung der Hersteller. Immer grössere Kühlergrills, schmaler werdende, schlitzartige Scheinwerfer und scharfe, pfeilförmige Linien vermitteln einen «bösen Blick» oder ein «aufgerissenes Maul».

BMW 7er E38
BMW 7er E38 (1994–2001): Deutlich dezenter als die heutigen Linien. - Alexander Migl

Diese Elemente sollen oft an Raubtiere oder Monster erinnern und eine gewisse Dominanz und Überlegenheit ausdrücken. Diese Designsprache spricht gezielt Käufer an, die sich mit einem Fahrzeug identifizieren wollen, das Stärke und Dynamik ausstrahlt.

Aerodynamik und technologische Entwicklung

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Aerodynamik. Um den Luftwiderstand zu reduzieren und die Effizienz sowie die Fahrleistung zu verbessern, werden Karosserien immer strömungsgünstiger gestaltet.

Tesla Cybertruck
Der Tesla Cybertruck wirkt durch sein spartanisches Design nahezu postapokalyptisch. - Tesla

Dies führt oft zu flacheren Fronten, schärferen Kanten und integrierten Lufteinlässen, die das aggressive Erscheinungsbild tendenziell verstärken. Obwohl Aerodynamik in erster Linie funktional ist, beeinflusst sie massgeblich die Formgebung und kann so zum Eindruck von Geschwindigkeit und Angriffslust beitragen.

Sicherheitsvorschriften und Fahrzeuggrösse

Auch Sicherheitsvorschriften haben einen Einfluss auf das Erscheinungsbild heutiger PKW. Zum Beispiel erfordern Fussgängerschutzmassnahmen oft höhere und stumpfere Fahrzeugfronten, um bei einem Aufprall die Verletzungsgefahr zu mindern.

Ford Ranger
Ford Ranger (1993–1998): Deutlich zahmer als die aktuellen Versionen. - IFCAR

Gleichzeitig tendieren viele Fahrzeugsegmente, insbesondere SUVs, zu immer grösseren Dimensionen. Diese Kombination aus massiven Karosserien und den genannten Designelementen verstärkt den robusten und manchmal einschüchternden Eindruck.

Die schmaleren Fensterflächen, die teilweise fast an Schiessscharten erinnern, tragen zusätzlich zu einem panzerähnlichen Look bei.

Psychologische Wirkung und Markenidentität

Psychologisch gesehen nutzen Hersteller diese aggressive Ästhetik, um beim Betrachter bestimmte Assoziationen hervorzurufen. Ein «fies dreinblickendes» Auto kann die gefühlte «Hierarchie auf der Strasse» verstärken.

Ford Ranger Raptor
Der aktuelle Ford Ranger Raptor. - Ford

Für den Fahrer selbst kann ein solches Design ein Gefühl von Macht und Kontrolle vermitteln. Darüber hinaus dient das Design auch der Markenidentität. Viele Hersteller entwickeln eine spezifische Designsprache, die über ihre gesamte Modellpalette hinweg konsistent ist und oft eine sportliche oder dynamische Ausrichtung betont.

Was einst als «rundlich» und freundlich galt, wird heute von vielen als veraltet empfunden. Die Industrie reagiert auf diese veränderten Geschmäcker und schafft Fahrzeuge, die Stärke, Leistung und eine gewisse Dominanz visuell kommunizieren.

Mehr zum Thema:

Weiterlesen