Neue Sicherheitsregeln könnten Touchcreen-Flut in Fahrzeugen stoppen
Experten warnen zunehmend vor der Unfallgefahr durch Touchscreen-Bedienung – Jetzt will der Crashtest-Verband Euro NCAP dafür seine Richtlinien ändern.
Die neuesten Richtlinien des European New Car Assessment Program (Euro NCAP) könnten einen entscheidenden Wandel in der Automobilindustrie einläuten. Euro NCAP plant, in wenigen Jahren neue Sicherheitstests einzuführen.
Diese könnten dazu führen, dass die Autobauer ihre Innenräume und Touchscreens grundlegend überdenken müssen. Mehr physische Knöpfe und Schalter sollen eingebaut werden, da diese beim Fahren weniger ablenken.
Diese Änderungen für den europäischen Automarkt könnten auch Auswirkungen auf amerikanische Autos haben – zumindest bei denen aus europäischer Produktion. Es ist auch möglich, dass künftige US-Regulierungen ähnliche Anforderungen an physische Steuerungselemente stellen werden.
Kein Top-Rating ohne traditionelle Bedienelemente
Die neuen Regeln treten im Januar 2026 in Kraft. Autobauer, die das höchste Fünf-Sterne-Sicherheitsrating anstreben, müssen mehr herkömmliche Tasten oder Drehknöpfe für fünf wichtige Fahrzeugoperationen verwenden.
Hierzu gehören Blinkerbetätigung, Aktivierung der Warnblinkanlage sowie Hupe und Scheibenwischersteuerung. Auch die Aktivierung einer SOS-Funktion für automatische Notrufe bei schweren Unfällen ist vorgesehen.
Die neuen Tests sind Richtlinien für eine volle Fünf-Sterne-Bewertung, Autobauer sind also nicht gesetzlich dazu verpflichtet, diese einzuhalten. Allerdings erhalten sie ohne Einhaltung der Vorgaben keine Top-Sicherheitsbewertung von NCAP.
Touchscreen-Schwemme ist ein branchenweites Problem
Matthew Avery, Direktor für strategische Entwicklung bei Euro NCAP, erklärt den Hintergrund der neuen Testrichtlinien: Fast jeder Fahrzeughersteller hat wichtige Steuerungen auf zentrale Touchscreens verlegt und zwingt damit die Fahrer dazu, ihre Augen von der Strasse zu nehmen.
Dies erhöht das Risiko von Ablenkungsunfällen. Die neuen Euro NCAP-Tests ab 2026 werden dagegen Hersteller ermutigen, separate physische Kontrollen für grundlegende Funktionen intuitiv zu verwenden.
Dies begrenzt die Zeit, in der die Augen nicht auf der Strasse sind und fördert somit sichereres Fahren.
Tesla ist der Pionier des minimalistischen Interieurs
Tesla könnte am stärksten von diesen Änderungen betroffen sein. Der Autohersteller war Vorreiter beim sogenannten minimalistischen Innenraumdesign.
Er hat fast alle Fahrzeugsteuerungen auf einen einzigen Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts verlegt. Tesla-Fahrzeuge haben demnach keine speziell auf den Fahrer zugeschnittenen Bildschirme oder Displays und nur wenige tatsächliche Knöpfe.
Der Mangel an physischen Steuerungen und die Notwendigkeit, beim Fahren zum Zentrum des Armaturenbretts zu schauen, hat bei Tesla für viele Kontroversen gesorgt. Die Mehrheit der Autobauer ist jedoch Teslas Beispiel gefolgt und hat ebenfalls vermehrt auf bildschirmorientierte Innenräume gesetzt.
Mehr Knöpfe wagen – Trendumkehr im Auto-Design?
Auch andere Hersteller wie Rivian, Mercedes-Benz, BMW, Audi und Porsche haben kürzlich Modelle mit mehr Bildschirmfläche als je zuvor vorgestellt: oft ohne physische Bedienelemente für gängige Fahrzeugfunktionen.
Andererseits hat Volkswagen sein Interieurdesign für Elektroautos überarbeitet: Es enthält nun mehr sichtbare Schieberegler zur Steuerung von Klimaanlage und Radio.
Und auch das südkoreanische Modell Hyundai Ioniq 5 EV hat kürzlich eine zusätzliche Reihe haptischer Tasten am Armaturenbrett eingeführt: für einen einfacheren Zugang durch den Benutzer.