Urbane Rebellion: Der stille Kampf gegen SUVs
Basel, Lausanne, Paris: Die Revolution beginnt auf dem Parkplatz. Städte haben erkannt, dass der SUV-Trend nicht ohne Konsequenzen bleiben kann.

Der Schweizer Automobilmarkt wird massgeblich vom anhaltenden Boom der Sport Utility Vehicles (SUVs) geprägt. Mit einem Rekordanteil von 55.7 Prozent an den Neuzulassungen im Jahr 2024 ist die Schweiz ein weltweiter Spitzenreiter bei der Verbreitung dieser Fahrzeugkategorie.

Diese Popularität resultiert aus einer komplexen Mischung aus funktionalen und psychologischen Kaufmotiven der Konsumenten. Die Kehrseite dieser Entwicklung sind jedoch erhebliche Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Verkehrssicherheit und städtischer Raum, auf die Schweizer Städte zunehmend mit progressiven Massnahmen reagieren.
Popularität des SUV
Die hohe Nachfrage lässt sich durch eine Reihe von Motiven erklären, die sowohl praktische als auch emotionale Aspekte abdecken. Ein zentraler Faktor ist die erhöhte Sitzposition, die von Experten als einer der Hauptgründe für den Aufwärtstrend genannt wird.

Fahrer schätzen die bessere Übersicht im Verkehr und den höheren Fahrkomfort, was insbesondere für ältere Personen das Ein- und Aussteigen erleichtert. Neben dem Komfort spielt auch das subjektive Sicherheitsgefühl eine entscheidende Rolle.
Denn Grösse und das Gewicht eines SUVs vermitteln ein Gefühl von Schutz und Robustheit. Auch das grosszügige Platzangebot für Passagiere und Gepäck wird als wichtiges Argument genannt, was SUVs besonders attraktiv für Familien macht.
Strategische Neuausrichtung der Hersteller
Die steigende Nachfrage ist nicht allein das Ergebnis spontaner Präferenzen, sondern wird aktiv durch die strategische Neuausrichtung der Automobilhersteller geformt. Die Branche hat erkannt, dass die SUV-Karosserieform besonders attraktiv ist, und passt ihre Modellpalette entsprechend an.

Dies führt dazu, dass klassische Familienfahrzeuge wie Kompaktvans und Kombis zunehmend aus dem Angebot verschwinden und durch SUVs ersetzt werden. Der bei Familien beliebte Renault Espace hat sich 2023 beispielsweise von einem Van in einen SUV verwandelt, und auch der Citroën C4 wird heute als SUV-Coupé angeboten.
Der paradoxe Einfluss der E-Mobilität
Ein weiterer wesentlicher Treiber des SUV-Booms ist die fortschreitende Elektrifizierung der Fahrzeugflotte. Paradoxerweise fördert die Verbreitung von Elektroautos den Trend zu grösseren und schwereren Fahrzeugen.

Reichweitenstarke Kleinwagen und Kompaktmodelle sind im E-Auto-Segment noch selten. Grosse, schwere Fahrzeuge wie SUVs sind konstruktionsbedingt besser in der Lage, die notwendigen grossen und schweren Batterien zu beherbergen, um attraktive Reichweiten zu erzielen.
Wer auf Elektromobilität umsteigt, aber gleichzeitig eine hohe Reichweite für längere Strecken wünscht, sieht sich oft gezwungen, zu einem SUV zu greifen.
Ökologische Bedenken und städtische Herausforderungen
Der SUV-Boom bringt jedoch signifikante ökologische Nachteile mit sich. Ein Hauptproblem ist der erhöhte Kraftstoff- und Stromverbrauch aufgrund des höheren Gewichts und des schlechteren Luftwiderstands der Karosserie. Ein oft übersehener, aber gravierender Aspekt ist der Reifenabrieb als Hauptquelle für Mikroplastik.
Das höhere Gewicht und die oft breiteren Reifen von SUVs verstärken den Abrieb an der Fahrbahn erheblich. In der Schweiz ist Reifenabrieb mit geschätzten 90 Prozent die grösste Quelle für Mikroplastik-Emissionen.
Jede Zunahme der Zahl schwerer SUVs führt somit direkt zu einer Zunahme der Freisetzung von Mikroplastikpartikeln in die Umwelt.
Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit
Die Bauweise von SUVs hat direkte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, insbesondere für die verletzlichsten Verkehrsteilnehmer. Studien belegen, dass Unfälle mit SUVs für Fussgänger und Velofahrer im Durchschnitt zu schwereren Verletzungen führen.
Denn aufgrund der höheren Front werden Personen nicht über das Fahrzeug geschleudert, sondern zu Boden gestossen werden. Zusätzlich stellen die hohen Frontpartien moderner SUVs ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.
Sie erzeugen einen grossen toten Winkel direkt vor dem Fahrzeug, in dem Kinder oder andere kleine Objekte vollständig verschwinden können. Auch für den städtischen Raum gibt es negative Folgen: SUVs nehmen mehr Platz ein, was das Parkplatzproblem verschärft.
Politische Reaktionen und städtische Lenkungsmassnahmen
Als Reaktion auf die negativen externen Effekte des SUV-Trends haben mehrere Schweizer Städte Massnahmen zur Eindämmung diskutiert oder bereits umgesetzt.
Basel: Als Vorreiterin in der Schweiz hat Basel Anfang 2025 grössenabhängige Parkgebühren für Anwohner und Pendler eingeführt. Die Gebühren sind nach Fahrzeuglänge gestaffelt.
Lausanne: Inspiriert vom Vorbild Paris wurde in Lausanne ein Postulat von linken Parteien angenommen, das höhere Parkgebühren für Fahrzeuge über 1,6 Tonnen fordert. Die Einnahmen sollen zur Umsetzung des städtischen Klimaplans verwendet werden.
Zürich und Luzern: Auch in anderen Schweizer Städten werden ähnliche Massnahmen diskutiert. In Zürich sind ebenfalls höhere Parkgebühren für grosse Autos vorgesehen. In Luzern wurde ein Postulat für höhere Parkgebühren für SUVs eingereicht.
Internationaler Vergleich: Vorbild für viele dieser Massnahmen ist Paris, das bereits 2024 die Parkgebühren für schwere SUVs verdreifachte und nun 18 Euro pro Stunde verlangt.