Wann kommt «autonomes Fahren» endlich in die Schweiz?
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Strassen sicherer und Staus Geschichte sind. Wie realistisch ist autonomes Fahren und wie der aktuelle Entwicklungsstand?
Autonomes Fahren ermöglicht Fahrzeugen, ohne menschliches Eingreifen zu navigieren und zu operieren. Zweifellos hat diese Technologie das Potenzial, unsere Mobilität fundamental zu verändern.
Sie steigert die Verkehrssicherheit, optimiert den Verkehrsfluss und macht die Auslastung der Fahrzeuge effizienter. Die Erwartungen an sie sind gewaltig.
Heutzutage gibt es schon teilautomatisierte Systeme, die Funktionen wie Spurhaltung und adaptive Geschwindigkeitskontrolle bieten. Vollständig autonome Fahrzeuge befinden sich gerade in der Entwicklungsphase und sollen bald ohne menschliche Überwachung operieren können.
Automatisierung in Stufen
Die raschen Fortschritte in der Technologie gehen jedoch nicht ohne grosse und offene Fragen einher. Gesellschaft, Industrie und Gesetzgeber beschäftigen sich schon seit Jahren mit den Sicherheitsbedenken und nicht zuletzt den ethischen Fragen, die damit verbunden sind.
Die Fahrzeugautomatisierung ist in verschiedene Stufen gegliedert, die den technischen Fortschritt erfassen und ordnen sollen. Der weltweite Standard dafür ist SAE J3016 für Fahrzeugautomatisierung, entwickelt von SAE International.
Die Klassifizierung der Fahrzeugautomatisierung in den Stufen 0 bis 5 definiert Funktionen und Fahrerrollen für jede Stufe. Dabei umfasst sie assistierte Funktionen (Level 1 und 2), teilautomatisiertes Fahren (Level 3) sowie vollständig autonomes Fahren (Level 4 und 5).
Bis 2035 Level 3 und 4
In Stufe 3 können Fahrzeuge unter bestimmten Bedingungen eigenständig fahren. Der Fahrer muss jedoch jederzeit bereit sein, die Kontrolle zu übernehmen.
Ab Stufe 4 ist kein menschliches Eingreifen mehr erforderlich. Es ist daher kein Wunder, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nach den richtigen Umsetzungsparametern suchen.
Oliver Wyman prognostizierte, dass bis zum Jahr 2035 etwa 20 bis 35 Prozent der produzierten Fahrzeuge teil- oder vollautomatisiert sein werden. Auch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) geht davon aus, dass autonome Fahrzeuge nach 2030 auf den Strassen sein werden.
Pilotprojekt in Bern
Laut einer Studie von EBP aus der Schweiz würden insbesondere Kantone und Städte erheblich von den verbesserten Verkehrssteuerungsoptionen profitieren. Trotz der rechtlichen und digitalen Herausforderungen, die bedeutende Hürden darstellen, wird der Schweiz eine Vorreiterrolle in diesem Bereich zugeschrieben.
Kürzlich wurde das erste autonome Lieferfahrzeug der Schweiz vorgestellt. Seit Februar 2022 befindet es sich in der Erprobungsphase auf den Strassen von Bern.
Dieser Entwicklung gingen die ersten Systeme, wie z.B. wie der 1958 von Chrysler eingeführte Tempomat, voraus. Dessen konsequente Weiterentwicklung heute die adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC) ist und bereits jetzt teilautonomes Fahren ermöglicht.
Hersteller investieren kräftig
Alle Hersteller forschen auf diesem Gebiet und präsentieren regelmässig ihre neuesten Studien. Mercedes-Benz zum Beispiel seinen Future Truck 2025, der autonom in Kolonnen auf Autobahnen fahren kann, was einem Level-3-Autonomiestatus entspricht.
Renault strebt mit seinem Konzeptfahrzeug EZ-Ultimo sogar nach Level 4 der Autonomie. Der Ansporn für die Hersteller im prestigeträchtigen Wettbewerb in der ersten Reihe zu sein, ist also gross.
Um autonomes Fahren zu realisieren, sind fortschrittliche Sensoren, Aktoren und Technologien notwendig, die Umweltdaten erfassen und entsprechende Fahrentscheidungen treffen. Es handelt sich um ein komplexes Feld mit einem erheblichen Potenzial für Risiken.
In der Schweiz noch verboten
In der Schweiz ist derzeit nur teilautomatisiertes Fahren mit menschlicher Begleitung erlaubt, vollautonomes Fahren hingegen noch verboten. Das Schweizerische Strassenverkehrsgesetz (SVG) verlangt, dass der Fahrer jederzeit die Kontrolle über sein Fahrzeug behalten muss.
Auch das Wiener Übereinkommen über den Strassenverkehr von 1968, stellt eine Herausforderung für die breite Einführung autonomer Fahrzeuge dar. Und trotzdem arbeiten Unternehmen wie Google, Tesla, Daimler, BMW, Waymo und Cruise intensiv an der Entwicklung autonomer Fahrzeuge.
Die Technologien werden auf öffentlichen Strassen getestet. Die Fortschritte einiger Hersteller wie Audi oder Mercedes sind schon sehr beachtlich.
Autonomes Fahren steht zwar an der Schwelle zu grossen Testreihen, eine realistische Marktreife ist aber noch nicht abzusehen.